Es kommt was unausweichlich kommen muss: Wir verabschieden schweren Herzens unsere beiden Weggefährten der letzten 4 Wochen - Karin & Robin. Sie gehen heute - zusammen mit Regina und Rolf - auf den letzten Lufthansa Rückschaffungsflieger.
Und wir beide ... sitzen im Garten unter den Eukalyptus-Bäumen, lauschen dem Papageien Gesang und bereiten uns mental auf den Abschied von Südamerika - von Argentinien vor. Und auf unseren Flug von Morgen.
Gerade kommt noch ein eMail vom emsigen EDA. «Sie werden morgen um 14.00 mit einem Bus zum Flughafen abgeholt.» Das ist aber nett! Auch, das wir die regulären Flugpreise erst in der Schweiz bezahlen müssen, erleichtert das Ganze und ist aus unserer Sicht ein Zeichen der vorbildlichen Planung: DANKE!
Es geht zum Zoll: Alle Expi-Klappen, Türen müssen offen sein. Alles wird minutiös untersucht. Auch kommt ein netter vierbeinige Drogenfahnder zum Einsatz. «Alles Clean», befindet auch dieser
mit wedelndem Schwanz.
Am Schluss gibt es ein Zertifikat und das ist für uns neu: Es bescheinig, dass keine Drogen im Auto sind. Die Erklärung dazu: Es wurden vermehrt Drogen bei Campern auf dem Weg nach Europa
gefunden. Wenn jetzt in Hamburg Drogen gefunden würden, kann das nicht auf oberflächliche Kontrollen in Zarate oder die Camper-Besitzer zurückfallen. Schön für uns, dass nur die Fahrerkabine
nicht verschlossen sein muss. All Aussenboxen und die Wohnkabine konnten wir dicht machen. Somit kann kaum jemand bei uns währende den 5 Wochen Überfahrt einbrechen.
Wir sechs, fahren mit drei Taxis ins Hotel. Auch hierfür bracht es diverse Bewilligungen. Eine spannende Fahrt. Der Leiter des Mini-Konvois hat sich zum Zeil gesetzt, in keine Kontrolle zu fahren … er hat das geschafft! Im Hotel stossen wir auf andere bekannte und unbekannte Reisende. Nur solche können noch Gäste sein. Allen anderen ist das Verweilen in Hotels untersagt.
Frühe Tagwache … und los. Spulen km an km ab. Wir fahren in ein Gebiet mit Netz. Das erste eMail heute Morgen: «Die Hotelreservation ist aufgrund von Corona, ohne Alternative annulliert!» Erneut X Telefonate, WhatsApps, eMails ... von 35'000 Hotels im Land sind nur noch 24 geöffnet. Kurz vor dem Durchstarten ein Anruf bei unserer Fee im Hintergrund – Eliane, in Windeseile regelt sie mit der Botschaft die Sache. Wir haben eine neue offizielle Unterkunft für uns vier und für die beiden, die auf uns in Zarate warten. Wir realisierten in dieser Phase, dass viele nur noch für sich schauen.
Wir erreichen Zarate auf Nebenstrasse ohne Kontrollen: So gut, gibt es GuruMaps, MapsMe, und andere.
Im Hafen erwarten uns Regina und Rolf. Kurz danach laufen die Vorbereitung für das Verschiffen auf Hochtouren. Wir geniessen nach dem Eindunkeln mit Karin & Robin unsere letzten Spaghetti Bolognese, vorzüglichen argentinischen Wein sowie den Rest des in South Georgia gekauften Ernest Shackleton Whisky … und vielen danach erleichtert und erschöpft in die Federn.
Wir verlassen, kaum beehrt uns die Sonne, unseren Platz, den wir in den letzten zwei Wochen liebgewonnen haben. Fahren auf kleinen unbefestigten Strassen in Richtung der Ruta 3. Durch Farmland, vorbei an einem kleinen Dorf. Plötzlich zwei Polizeifahrzeuge hinter uns. Das gleiche Prozedere wie auch schon: Woher, wohin, Dokumente, etc.? Die Ambulanz wird aufgeboten, kommen und stecken uns den Fiebermesser unter den Arm …. Alles Ok! Dann gehts mit einem freundlichen «Alles Gute» weiter. Ein Polizist begleitet uns bis zur Ruta 3. Weiter gehts. Glücklicherweise kommen wir aufgrund eines Kartenlesefehlers von der vorgeschriebenen Route ab. Fahren auf Nebenstrassen mit keinen Kontrollstellen unbehindert durch wunderbare Landschaften. Übernachten bewusst am Strassenrand, um durch das «Verstecken» niemanden zu provozieren und uns die Polizei auf den Hals zu jagen.
Heute haben wir die Bestätigungen und Passierscheine erhalten. Wir fahren am 14. April vorläufig die letzten 1000 km in Argentinien.
Zuerst an Buenos Aires vorbei in den Hafen von Zarate. Bringen die Fahrzeuge zum Schiff und fliegen zwei Tage später von Buenos Aires nach Europa!
Argentinien ... wir kommen wieder !!!
Wer alles im Hintergrund für uns recherchiert, organisiert, den Rücken frei gehalten und uns gestärkt hat, darüber berichten wir gesondert!
Die letzten zwei Tage waren flau bis stürmisch. Wunderbare Sonne. Immer noch allerlei zum Richten auf der Estancia ... und dann die Nachricht vom EDA:
«Sie können in einer Woche nach Deutschland fliegen!»
Bravo und … wollen wir das wirklich? Jetzt wo es wieder konkret wird, stellen sich erneut Fragen für unsere Fahrzeuge. Quarantäne! Alles steht still und an Ostern erst recht!
Wie kommen wir an den Agenten, die Hafenbehörden, etc. ran? Silvia und ich entscheiden den Weg der Heimreise mit allen Mittel anzugehen. Die beiden Weggefährten zögern noch. Nach Gesprächen und
ein paar Stunden in ruhigerem Wasser: Alles klar, wir gehen zu viert. Fragen über Fragen: Wie kommen wir von Zarate - dem Hafen 90 km im Norden von Buenos Aires - an den Flugplatz? Wo ein Wille –
auch ein Weg! Wir sind überzeugt, dass wir es schaffen können.
Neue Nachricht: Unsere beiden Freunde haben eine mündliche Zusage der Bundesregierung für den Flug. Wir nicht!!!
Und wieder geht es los: Telefonate, WhatsApp, eMails. Gespräche mit dem EDA, mit Bernd Ferstl, Deutscher Konsul aus El Calafate bis spät in die Nacht: Wir bekommen keine auch annähernde Zusage. Silvia sucht nachts alle möglichen noch offenen Flugverbindungen im Internet. Nada … die Stimmung ist im Wellental.
In dieser Nacht ist das Schlafen ein neuer Ritt auf Wellen – und mitten in der Nachricht die Nachricht des EDA: «Da es für den gemeinsamen Flug der LH zu viele Passagiere gibt, setzt die
Schweiz auch noch einen ein. Wollen Sie zurückfliegen, so melden Sie sich schnell an?!.» Machen wir sofort.
Nach dem Aufstehen sind unzählige Abklärungen im Gang. Warten auf die Definitive Bestätigung, Passierscheine, etc..
Mittlerweile haben die beiden Deutschen die definitive Zusage. Wir warten!!!
Buchen aber bereits das Hotel in der Nähe des Flughafens, für uns vier und noch für Rolf und Regina: Diese beiden sind mit uns auf dem Frachter nach Montevideo gefahren. Sind im Norden
gestrandet. Fliegen nun auch nach Hause. Sie beide organisieren für uns alle den Transfer in einem Klein-Bus von Zarate ins Hotel. Wir haben mit Regina und Rolf unsere Lebenstraum-Reise auf der
Fahrt von HH nach Montevideo begonnen und treffen uns in B.A. um sie zu beenden … oder hoffentlich nur zu unterbrechen.
Wir erleben vom Wetter her immer noch wunderbare Tage. Keine Wolken weit und breit. Der Wind pfeift auch hier um die Wette. Seit Monaten kein Regen. Die Landwirte können keine Wintersaat einbringen, pflügen geht nicht, der Boden ist wie Beton. Im Gemüse-Land weiter südlich – welches wir vor Tagen stundenlang durchquerten - kann das Gemüse aufgrund der landesweiten Quarantäne nicht abtransportiert werden. Es drohen hohe Verluste … auch hier ticken Zeitbomben.
Hier auf der Estancia, erleben wir wunderbare Nächte, mit Voll-Mond vom feinsten. Am Tag werden wir von Schaffen und Rindern besucht. Irgendwann tauchen Sie im Gänsemarsch am Horizont auf. Trinken am Wasserloch und verschwinden wieder im Nirgendwo.
Damit wir etwas zu tun haben, räumen wir Abfall auf der Estanca weg. Verbrennen brennbares in unserem, mit einem Fass gebauten Hochleistungsofen - mit eigens dafür gegrabenem Windkanal. Der Wirkungsgrad lässt sich sehen. Dank der grossen Hitze, fliegen kaum Partikel davon, der Feinstaub hält sich in Grenzen. Zur Hitze: Nie hätte ich mir träumen lassen, an Kuhmist Gefallen zu finden. Auf unseren Afrikareisen haben wir «gelernt», dass Kuhdung nicht nur zum Bau von Behausungen taugt, sondern auch zum Kochen: Dieser hat nahezu den Brennwert von Kohle. Also, ich sammle Kuhdung für unseren Ofen … und habe dabei richtig Spass.
Alle haben etwas zu tun. Robin baut Wasserkanäle, damit das vom Windrad hochgepumpte Grundwasser aufgrund der defekten Leitung nicht unter das Haus läuft. Und macht als Fitness wunderbare Holzhaufen. Silvia ist am Expi rausputzen, am Aufräumen und Waschen – ebenso Karin. Und zusammen lassen wir es uns ab und zu bei einem schönen Glas Wein auch sonst gut gehen. Brutzeln am offenen Feuer eine frische Lammkeule oder ganzes Rippenteil, welche uns die Gauchos aus der Nachbarschaft schenkten.
Zwischen durch kommt Christoph – der aufgestellte, strahlende Besitzer vorbei. Er bringt uns Lebensmittel, die er für uns eingekauft hat. Schreibt uns fast jeden Tag, wie euns geht und was er uns an Lebensmittel einkaufen gehen soll. Er lebt ja nur 50 km - ein Weg - von hier entfernt. Unglaublich, was wir hier an Fürsorglichkeit erleben. Was Menschen, die wir bis vor kurzem noch nie gesehen haben, für uns unternehmen.
Es ist so schön ruhig hier. Stehen gegen 09 auf. Putzen die Böden der Dusche und anderen Räume nochmals. Die Ameisenstrasse ist wieder am Laufen. Installieren in der Dusche eine Vorrichtung für unsere Solar-Duschsäcke und geniessen die erste Dusche, ein wunderbares Frühstück und danach die Sonne auf dem Liegestuhl. Es ist das erste Mal seit Monaten.
Wir telefonieren und korrespondieren schriftlich via WhatsApp, wenn das Netz es temporär erlaubt. Mit Menschen, die möglicherweise mehr wissen als wir. Wir erarbeiten uns verschiedene Stossrichtungen wie es weiter gehen könnte. Fahren wir nach Buenos Aires und lassen das Fahrzeug dort und fliegen nach Hause. Oder, wenn die Grenzen zu Uruguay aufgehen sollten – nach Montevideo. Es gibt so viel zu klären und abzuschätzen. Zum Beispiel, was passiert, wenn der Staat Argentinien bankrott geht. Er kränkelt ja schon X Jahre. Werden die Banken geschlossen, wie kommen wir an Geld, wie verhalten sich dann die Menschen gegenüber uns. Alles Fragen, auf die es im Moment keine Antworten gibt. Wir müssen die Lage selber abschätzen und dann schnell handeln. Hier haben wir Ruhe zum Nachdenken, Abklären und Entscheiden.
Und es bleibt auch Zeit, um über uns und die verrückte Zeit und Welt nachzudenken.
Schon vor sieben stehen die 4 Polizisten die uns zur Gendarmerie bringen für uns bereit. Ab geht’s in die stockdunkle Nacht.
Über uns millionen funkelnder Diamanten. Ein atemberaubender Sternenhimmel, wie er nur auf der südlichen Halbkugel zu sehen ist. Vor Tagen haben wir in voller Pracht den «Satellite Train» von
Elon Musk beobachten können (zu sehen auch auf YouTube). Mehr und mehr verschluckt die Morgenröte die Sterne und das aggressive Blinken des vor uns fahrenden Polizeiautos auch.
Stopp in Sierra Grande. Warten auf die Policia, die uns durch die ganze Provinz Rio Negro begleiten wird. Auch Sierra Grande ist hermetisch abgeriegelt. Wo haben die all die Fässer her,
die die Strassen versperren? Zwischen den Fässern aufgeschüttete Kiesberge. Es gibt kein Durchkommen, ausser an den bewachten Posten. Ganz wenig Menschen sind unterwegs … führen kurz «Fiffy
Gassi»!
Weiter geht’s, immer noch auf der Ruta 3 durch die endlose Weite. Vorbei an San Antonio und weiter nach Viedma an die Grenze zur Provinz Buenos Aires. Die angekündigte Begleitung bis zur nächsten Grenze sieht wie folgt aus. Das Polizeiauto fährt hinter uns. Nach 5 km bemerken wir, dass sie wenden. Ohne Ankündigung waren sie weg und wir alleine unterwegs. So schön!!!
Wir stoppen an einer der offiziellen Tankstellen, die auch verpflichtet wurde offen zu bleiben. Hier spüren wir das erste Mal Abneigung. Der Shop wurde geschlossen und WLan konnten wir nicht nutzen. Sie rückten das Passwort nicht raus.
Die Grenzer an der Provinz Buenos Aires waren sehr speditiv und auch wieder freundlich. Wir selber wurden auch immer proaktiver: Nachdem wir uns gegenseitig begrüsst haben, liess ich meine Platte
ablaufen: «Wir – auch die beiden hinter uns, kommen aus La Leona, in der Region Calafate, waren dort vierzehn Tage in Quarantäne, haben eine offizielle Durchfahrtsbewilligung, waren in Trelew im
Spital für den ärztlichen Attest und sind auf dem Weg nach B.A.. Alles schön untermauert mit den Foto-Dokumenten auf dem iPad.
Wau!!! Wir können ohne Begleitung weiterfahren. Das erleichtert uns das Leben sehr. Nach 90 km biegen wir in den uns beschriebenen Feldweg ab. Nach 5 km sind wir auf der Farm von Christoph von
Thungen. Alles generalstabsmässig von Eliane eingefädelt.
Die Estancia ist verlassen. Ein kleines Haus steht uns zur Verfügung. Flache grenzenlose Aussicht über karge Wiesen. Wir werden empfangen durch einen Schwarm bunten, kreischenden Papageien, das Geräusch des Windes ist das Begleitorchester. Die vorab gelieferten Esswaren stehen bereit.
Wie uns angekündigt gibt es an der Wasserversorgung, den verstopften Abwasserleitungen und vielen anderen Stellen zu werkeln. Wir gehen mit Spass und Elan daran. Teilweise fehlen scheiben und Türen und allerlei Viecher und Vögel haben das Gebäude in Beschlag genommen.
Dann kommt Gonzalito vorbei. Er ist Caucho ganz in der Nähe, hütet Schafe und Rinder und hat die von Christoph gekauften gekühlten Lebensmittel in seinem Kühlschrank aufbewahrt. Wir wandern kurz zu seiner einfachen Behausung. Er will uns diese zeigen. Der kleine, nette Mensch redet in einem Spanisch und mit einer Geschwindigkeit … keiner versteht ihn wirklich. Und trotzdem, wir verstehen uns auf Anhieb.
Nach zwei Stunden abreagieren ist Schluss mit putzen. Es hat gut getan und das Ergebnis lässt sich sehen. Morgen reparieren wir noch die Dusche und versuchen nochmals den Strom in Gang zu bringen. Jetzt stürzen wir uns auf die Spaghetti Bolognese die Silvia zubereitet hat, trinken einen guten Wein … und geniessen den Abend und die Freiheit auf unserer Robinson Crusoe-Insel.
Zu schön, um wahr zu sein. Da kommen wir so einfach in die Provinz Chubut rein und an der ersten Tankstelle wo wir tanken kurz vor Trelew fährt eine Patrouille auf. Das ganze Prozedere aus dem Vollen. Wir werden von einem älteren Ehepaar angesprochen: Sie sind hier gestrandet. Sind gezwungen hier zu campen … das ist ihre Quarantäne. «Warum dürft Ihr fahren und nicht wir – kommen aus Buenos Aires und wollen einfach nur nach Hause!?». Während dessen tätigen die Polizisten X Telefonate, mit wem auch immer. Fotografieren alle unsere Pässe und sonstigen Dokumente. Bevor wir losfahren noch ein Disput mit dem Ehepaar. Wahrscheinlich die gleichen Fragen wie die beiden uns vor Minuten stellten.
Am Schluss werden wir durch die ganze Stadt ins Spital begleitet. Alle wurden untersucht ob Lunge, Temperatur und Blutdruck ok sei. Danke! Wir haben an verschiedenen Stellen bereits gefragt, wo
wir freiwillig ein Attest zu unserer Gesundheit ausstellen lassen können … jetzt haben wir es hochoffiziell.
Und Carlos reagierte auch wieder sehr schnell auf unsere Anfrage und lies uns eine Bestätigung der Quarantäne-Zeit auf seinem Grundstück zukommen. Wir päppelten den WhatsApp Text auf und machten
ein Foto und so hatten wir auch dieses Top-Dokument in der Tasche.
Wir fahren in Begleitung aus der Stadt raus. Alleine dann an Puerto Madrin vorbei. Hier wollten wir vor unsere Rückreise in die Schweiz noch 2-3 Wochen stehen - um Wale und Orcas zu beobachten. Das Herz schmerzt! Dann die Grenze zur Provinz Rio Negro. Wir sind bekannt … werden erwartet. Hin und her und dann sollte es unverzüglich weiter zur Gendarmerie gehen. Sie wollen uns sofort in die nächste Provinz bringen. Das heisst nach einem anstrengenden Tag in die Nacht fahren.
Karin sagt charmant bestimmt, dass sie müde sei und nicht weiterfahren kann. Dann soll doch der neben ihr fahren. Sie sagte, dass der auch müde sei … alles nicht gelogen … und die Partnerin des
LKW Fahrers nicht fahren können. So ist Silvia der stechende Joker.
Danach erhalten wir die Genehmigung auf dem Platz zu schlafen. Mit der Bedingung, dass wir um 07.00 morgen stramm für die Weiterfahrt seien. Es kam auch noch ein Offizier der Gendarmerie, und
teilt uns den Entscheid der Weiterfahrt von Moregn freundlich mit. Die wollen uns wirklich so schnell als möglich loshaben.
Früh am Morgen stossen vier weitere Reisende in einem kleinen Mietauto zu uns. Wir päppeln sie mit frischem Kaffee auf. Es gilt nochmals Unklarheiten mit Bernd Ferstl telefonisch zu klären. Zwei der vier sind etwas sehr kompliziert. Darauf verlassen wir unser Nachtquartier. Die Polizisten und die Gendarmerie verabschieden uns freundlich. Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und Gesundheit.
Auf der Ruta 3. Fahren wir vier Richtung Norden. Wir sind allein unterwegs. Also in einem Mini-Konvoi. Und dann kommen uns immer wieder grosse LKWs entgegen. Wunderbar! Ein gutes Zeichen.
Die Versorgung für die Menschen im abgelegenen Süden ist am Rollen. Praktisch alle LKW-Fahrer blinken und winken wie verrückt. Da sprüht uns die Herzlichkeit der Argentinos - wie wir sie bis
heute erleben durften - entgegen. Balsam für unsere Seele.
Wunderbare Landschaften ziehen stundenlang an uns vorbei. Links und rechts Nandus und Guanacos. So viele sind uns noch nie begegnet … teilweise wähnen wir uns in einer Parade. Wollen uns diese
verabschieden? Wollen wir verabschiedet werden? Wollen wir wirklich nach Hause? Wollen wir Südamerika, Argentinien und die Menschen hier verlassen? Gibt es eine Alternative? Solche Fragen gehen
uns durch den Kopf. Wir finden nicht wirklich eine Antwort.
Momentan fährt Silvia. Muss sich auf die vielen Tiere am Strassenrand und die uns ab und zu entgegen donnernden LKWs konzentrieren: Die Spur für zwei sich kreuzenden Laster ist nicht wirklich
breit.
Ich sitze mit schwerem Herz neben an. Wehmütig. Tränen in den Augen. Unser Lebenstraum droht sich in Luft aufzulösen.
Was passiert eigentlich um uns herum? Was passiert auf der uns geschenkten Welt?
Wir hören so oft, dass die Welt nach der Nummer Covid-19 eine andere sein wird. Unsere Befürchtung ist, dass wir wieder
alle schnell zur Tagesordnung übergehen werden. Vorzeichen sind in diesem Moment, dass nicht wenige Profiteure, Präsidenten grosser Länder, Einzelmasken und Firmen, kräftig Kapital aus der
Situation schlagen … dies ein Mit-Grund warum uns beiden weh ums Herz wird.
Wir finden eine baufällige «Raststätte». Hupen! Unterhalten uns kurz mit einer älteren, verängstigen Frau, auf Distanz, durch einen Fensterspalt. Sie [uns auf Ihrem Platz nächtigen zu dürfen.
Wir trinken in der Abendsonne zu viert noch ein Bier. Und ziehen uns halb erschlagen in unsere Camper zurück!
PS Die vier im kleinen Mietauto sind selbständig weitergefahren. Sie müssen durch gegenseitiges Abwechseln beim Fahren in einem Rutsch durchhalten bis Buenos Aires. Kein Hotel nimmt sie unterwegs auf. Alles ist auf den 3’200 km geschlossen. Orte mit Strassensperren hermetisch abgeriegelt. Wir konnten uns dies nicht vorstellen, bis wir es gesehen haben. Einzig die staatlichen Tankstellen ausserhalb sind auf den Hauptachsen offen. Dies, um die Logistik im Land aufrecht zu erhalten. Diese können wir nutzen, dank der Herkulesarbeit die Bernd Ferstl für uns in den letzten 5 Tagen geleistet hat. Und da gibt es doch wirklich noch einzelne, die an seiner Organisation zu meckern haben … dass diese nun alleine nach Buenos Aires fahren, soll uns recht sein.
Frühe Tagwache. Die Fahrzeuge werden bereit gemacht. Carlos kommt wieder, bringt nochmals Essen. Wir unterhalten uns und lachen wieder viel. Was sagte er doch: «Ihr wisst, ich bin auch Filmproduzent. Ich lebe zum Teil auch in der Fiktion. Ihr dürft mir nur etwa 70% als Wirklichkeit abnehmen!» Carlos Kargauer www.polarstar.com.ar
Dann heisst es Abschied nehmen. Wir umarmen uns … können es nicht anders, obwohl erst morgen die 14 Tage unserer Quarantäne auslaufen. Drücken uns wie es in Argentinien üblich ist, Brust an Brust oder wie die Argentinos sagen «De corazon a corazon!» So begrüssen sie sich auch, wenn sie zur Arbeit kommen oder nach Hause gehen … auch uns, z.B. bei Movistar (bei uns Swisscom) als Kunden nach dem Beratungsgespräch. Oder ganz spontan im Supermarkt, wenn wir andere Kunden um Rat baten und wir uns danach einige Minuten unterhielten.
Carlos braust wieder davon. Werden wir ihn je wiedersehen???
Wir machen die letzten Vorbereitungen zur Abfahrt. Drücken die Angestellten, die hier die Stellung halten. Schenken ihnen als Erinnerung allen ein Victorinox-Messer und Wein und Bier für die nächste, kleine Party. Sie können nicht nach Hause. Sind auch in der noch anhaltenden Quarantäne festgehalten.
Und weg sind auch wir. Anstelle nach Südosten fahren wir noch kurz Richtung Norden. Der stahlblaue Himmel und die verschneien Anden mit dem Fritz Roy wollen wir nochmals sehen. Nach dem Aussichtspunkt fahren wir zurück via La Leona. Wir bleiben auch hier auf der Brücke noch kurz stehen und blicken auf den Ort, der uns mit seinen Menschen ans Herz gewachsen ist.
Wir fahren los. Kommen nach zwei Stunden an eine Tankstelle, die uns zugewiesen wurde. Zwei Polizisten erwarten uns. Dürfen Tanken, uns aus dem geschlossenen Shop, etwas Essen bringen lassen, uns auf Distanz mit zwei Familien aus Buenos Aires, einem Biker und drei Angestellten die nicht nach Hause dürfen, unterhalten. Alle sitzen hier in der Quarantäne. Leben in ihren kleinen Campern oder Zelten direkt vor der Tankstelle, nicht auf der gegenüberliegenden schönen Wiese. Alle sind aufgestellt und sehen den Sinn der ganzen Sache wie wir ein.
Wir fahren weiter, im Schlepptau der Polizei. Weit draussen in der Pampa, stoppen die beiden, wünschen uns alles Gute und Gesundheit und verabschieden sich freundlich.
Wir fahren an die Sperre vor Rio Gallegos. Werden auch hier erwartet. Wir können deren WLan, die Toiletten nutzen und im Schutze vieler freundlichen Polizisten nächtigen.
Wir fallen alle vier sofort in einen gesunden Tiefschlaf!
Auch dieser Tag ist hektisch. Wieder telefonieren hin und her. Schreiben mehrfach WhatsApps, mit der dem Deutschen Konsul Bernd Ferstl in El Calafate - der den Konvoi Richtung Norden auf die Beine stellen will. Der Schweizer-Botschaft in Buenas Aires. Mit Freunden in der Schweiz und Argentinien, die für uns Abklärungen machen. Mit SeaBridge, zwecks Rücktransport der Camper. Alternative Aufenthaltsorte im Norden. Möglichkeit nach Uruguay oder Paraguay zu Freunden zu kommen, etc..
Dann lassen wir den Abend, Abend werden. Ein Moment lassen wir die Seele baumeln. Kochen!
Tür-Klopfen: Die Polizei! Wieder der Polizist, mit dem wir vor Tagen weniger gute Erfahrung machten. Er spricht aufgeregt mit unserer jungen Kollegin Karin. Ich schicke Silvia raus, um noch kurz
den Estancia-Besitzer Carlos und den Konsul Bernd zu alarmieren. Aufgeregt sagt er – wir verstehen ihn kaum hinter seiner Maske – wir sollen aufbrechen und 250 km nach Südosten nach Rio Gallegos
fahren. Dort lande ein Flugzeug, welches uns nach Buenos Aires bringt!?!? Unsere Frage: Was machen wir mit den beiden Camper? Achselzucken!
Mit Getöse kommt Carlos Schwiegersohn im PickUp an, wenig Minuten später rast Carlos selber an. Zusammen sprechen wir mit dem Konsul via WhatsApp. Der klärt ab … dann auf: der Polizist - der sich heute versöhnlich gab - wurde falsch informiert. Wir sollen wohl nach Rio Gallegos fahren. Bis zur Strassensperre vor der Stadt. Dort soll der Konvoi starten. Jetzt tut der Polizist uns leid: Macht seinen Job mit halben Informationen. Das kann ja nur daneben gehen.
Wir beraten uns nochmals mit Bernd Ferstl. Es gibt keine Wahl. Die Behörden haben entscheiden, dass wir aus der Provinz raus müssen. Auch Carlos meint, dass die Unberechenbarkeit von Tag zu Tag
grösser wird. Im Hintergrund arbeitet Bernd Ferstl weiter mit Hochdruck daran, für alle vier Provinzen Durchfahrtsgenehmigungen zu erhalten.
Wir stellen uns auf die Abfahrt am Morgen ein.
Wir sind seit dem 19. März - nach der Episode mit der Polizei - hier auf La Leona..
Hatten bis jetzt schönes Wetter, mit Wind wie er so quasi als Markenzeichen zu Patagonien gehört. Der wird immer kälter, der Winter steht bald vor der Tür. Haben frisches Wasser und werden rührend alle paar Tage mit Lebensmitteln versorgt. Also es mangelt uns bis jetzt an nichts.
Heute ist es raus: Die Regierung hat bekannt gegeben, dass die Quarantäne bis Mitte Monat aufrecht erhalten wird und wahrscheinlich bis Ende Monat verlängert wird. Wir stellen uns darauf ein. Putzen unseren Expi, lesen, wandern auf der Farm, morgen werde ich hier das erste Mal fischen , schlafen und lesen. Beantworten unzählige Nachrichten und Vorschläge von anderen gestrandeten. Nicht wenige sind in bedeutend unkomfortableren Situation als wir. Wieder Andere, die bereits im Norden waren und es nach Buenas Aires schafften, gehen im Moment - während ich schreibe - an Bord der Edelweiss mit Ziel Zürich. Darunter unser Reisegefährten auf der Grande Francia nach Montevideo: Robin, Stefan, Ursula und Fritz. Wir freuen uns sehr, dass sie es geschafft haben und um so mehr, wenn sie wieder in der Schweiz sind. Der Rest der Grande Francia Reisenden, die Familie aus Frankreich (Graziella, Arthur, Maxim & Olivier) sitzen in Costa Rica und Regina & Rolf im Norden von Argentinien fest.
Wir harren alle aus - etwas anderes gibt es nicht - und sind guter Dinge, dass es dank der momentanen konsequenten Quarantänen bald weitergehen wird.
Wir berichten wieder.
Herzliche Güsse an Alle und bleibt auf Distanz .... und gesund und munter!