Mehrfach wurden wir angeschrieben, wie es hier in Südamerika zu und her geht.
Hier eine Zusammenfassung wie wir die Situation erleben:
Was wir von Europa hörten, machte uns sprachlos .... traurig und hilflos.
Wir waren regional und bezüglich der Problematik so weit weg. Das verstärkte unser Gefühl der Hilflosigkeit.
Vor wenigen Tagen kam hier der Hammer.
Alle Grenzen in Südamerika wurden blitzartig geschlossen. Kurz darauf Argentinien im Ausnahmezustand - fast wie aus dem Nichts.
Ganz Argentinien ist unter Quarantäne. Jeder Ort ist für Ein- und Ausgänge für alle - inkl. den Einheimischen geschlossen. Wir können also in keinen Ort mehr rein. Die, die drin sind, nicht mehr raus.
Wir realisierte, das sich etwas zusammenbraute. Wir bunkerten noch Lebensmitte. Desinfektionsmittel und Masken gab es plötzlich keine mehr. Vor dem einzigen AirLine Büro bildete sich eine mehr als 100m lange Schlange. Am nächsten Tag Schlangen vor den Geldinstituten. An Geld zu kommen wurde für uns zum Spiessrutenlauf. Restaurants wurden geschlossen. Busbetriebe und alle touristischen Aktivitäten eingestellt.
Wir verliessen El Calafate. Wir wollten die Zeit nutzen möglichst weit in den Norden vorzustossen. Raus zu kommen war kein Problem mehr. Rein schon.
An einer ganz kleinen Überland-Tankstelle durften wir in der Pampa das Internet nutzen ... wir brauchten Informationen. Die Besitzer gewährten uns Asyl. "Es kommt eh keiner mehr zum Tanken, meinte er". Das heisst, wir hätten hier Tage ausharren können. Die Polizei die später vorbeifuhr und uns entdeckte, sah dies anders und akzeptierte es nicht - jagte uns weg. „Wohin wir gehen sollen?“, dafür hatten sie keine Antwort. Die Argumente des Chefs der Patrouille waren u.a., dass die Europäer Corona nach Südamerika brachten.
Das junge deutsche Paar, welches hier mit uns strandete, hatte telefonisch Kontakt zum Deutschen Konsul in El Calfate . Er redete mehrfach mit „unserem“ sehr, sehr aggressiven Polizisten, welcher uns - nach Rücksprache mit seinem Chef - in die Pampa, an einen einsamen Ort - weg von der Zivilisation - führen wollte. Es gäbe dort einen Fluss, mehr nicht. Die Gespräche seitens des Patrouillen-Chefs waren extrem laut und dauernd aggressiv. Er lies sich auch nicht von den Argumenten der internationalen Gesetzen beeindrucken. Der Konsul konnte eine Stunde Aufschub erwirken, so dass wir an der kleinen Tankstelle bleiben konnten. Der Ober-Polizist interpretierte diese Ausnahme nur für die Deutschen. Er jagte uns Silvia und mich weg. Wir alle vier blieben standhaft ... und telefonierten wieder mit dem Konsul. Der machte dem Polizisten klar, dass wir auch unter seinem Schutze stehen, weil Deutschland und die Schweiz befreundete Länder seien.
In der Zwischenzeit wurden durch seine Kontakte erwirkt, dass die Gendarmerie, die hier für die Grenzen zuständig ist,
auf dem Platz erschien. Zwei davon waren hoch dekorierte Offiziere. Auch diese mit Gummihandschuhen und Mundschutz bewaffnet. Isolierte Gespräche zwischen Polizei und Gendarmerie. Dann weitere Gesprächen via Telefon mit dem Konsul. Und dann durften wir alleine - nicht eskortiert - wieder zurück in Richtung Süden fahren. Wir sollen unsere Glück auf dem Flugplatzparking in El Calafate suchen. Der Konsul rief mehrere Bekannte an. Er fand eine Estanzia die quasi im Niemandsland ist. Dies weil es ein historischer Ort ist und die provinzielle Regierung keinen Einfluss nehmen kann.
Es gibt hier frisches Wasser, Dusche und Toilette, Internet und viel Pferde um uns herum!!! Also wie Ferien auf dem Hof :-).
Der Ort ist nicht wirklich prickelnd aber zu viert wirklich ok und vorläufig sicher.
Wir sind nach stundenlangem Hin und Her emotional wieder ruhig geworden. Lebensmittel haben wir momentan genug. Wenns mehrer Wochen dauert, würde uns der Besitzer, der nicht hier wohnt, aber via seine Angestellten erreichbar ist, welche besorgen lassen.
Also ... hier können wir es zwei, drei Wochen aushalten. Es ist ruhig. Auf der Hauptstrasse nebenan keine Bewegung mehr. Der Betrieb hier geschlossen. Nur wir und drei Abgestellte die die Stellung halten. Es mangelt an nix. Sollten wir wider allen guten Gedanken weitergejagt werden, haben wir ab heute das Satelliten-Telefon aktiviert. Also, auch wenn wir uns in der hintersten Pampa wiederfinden: Wie haben Verbindung :-)
Alles in allem hatten wir bis jetzt Glück. Mit unserem Spanisch, ohne die neu gewonnene junge deutsche Kollegin, die gut Spanisch spricht und deren bereits geknüpften Kontakten zum Konsul - einem Konsul der uns ohne wenn und aber „aufnahm“ - würden wir jetzt irgendwo in der Pampa ohne Anschluss zur Aussenwelt sitzen.
Die Tragik an der ganzen Sache: Das Land steckt seit Jahren in einer dicken Krise. Die Leute haben es nicht wirklich einfach, sind aber trotzdem aufgeschlossen und meist bei guter Laune: Und jetzt dasssss! Übrigens, alle anderen Staaten hier sind ebenfalls im Ausnahmezustand. Ein Ausweichen demzufolge unmöglich.
Wir vier fühlen uns gut, mögen uns, sind abgeschieden - daher ist es auch nicht tragisch, zu wissen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung zu haben.
Bei einer ganz nüchternen Analyse des ganzen Desasters, bleibt nur zu hoffen, dass die Weltgemeinschaft endlich seine Lehren zieht.
Ein Gedanke dazu: Es kann doch nicht sein, dass wir aus finanziellen Aspekten unsere Produktionen nach Fernost verlegen und dann auch nicht mehr an „unsere“ Medikamente kommen, weil die Logistik in einer solchen Krise ins stottern kommt.
Auch frage ich mich, warum in dieser Krisensituation in der richtigerweise so viel auf Eis gelegt wird, die Börsen weiter „handeln“ können/dürfen!?!
Wir sind zuversichtlich, dass wir alle nochmals eine Chance haben und es besser wird. Zu hoffen ist, wie bereits angeschnitten, dass die Lehren daraus gezogen werden und nachhaltig sind.
Dies zu unsere Situation und unseren übergreifenden Gedanken dazu!
Euch Allen, alles, alles, alles Gute.
Eure Silvia&Werner
PS Mehrfach wurden wir angeschrieben in die Schweiz zurückzukehren. Auch der Bund empfiehlt das. Vorerst war dies für uns kein Thema. Heute schon ... nur, wenn keine Flieger von hier unten abheben, du dich nicht mehr frei bewegen kannst, mehr als 3'000 km von Abflughäfen entfernst bist und dein Fahrzeug auch nicht mehr auf ein Schiff brings - weil es hier unten keinen Hafen dafür gibt - dann wird es schwierig.