«Wie könnte ich leben, ohne dich zu sehen, da ich doch weiss: ich gehöre hierher,
wo das Gefühl stets mehr zählt als der Verstand.
Denn Argentinien hat verrückte Schwalben im Herzen.
Dort malt sich die Hoffnung immer wieder neue Farben aus.
Und werden die Menschen nicht müde zu träumen und zu lieben.»
Eladia Blazquez, Tangokomponistin und -Sängerin (1931-2005)
Stell dir vor, du fährst Stundenland durch kaum berührte Landschaften. Reizvoll, abwechslungsreich und von Farben geprägt, die kein Künstler besser auf seiner Leinwand einfangen könnte. Du lässt alles an dir vorbeiziehen. Deine Lieblingsmusik verstärkt die Momente. Das Ganze wirkt wie eine Droge. Du möchtest überall anhalten und das was dich umgibt einsaugen … doch das was noch kommen kann, das Unbekannte, treibt dich bei aller Schönheit der Momente weiter und weiter. Auf diesen Fahrten abseits der Hauptruten begegnest du wenige Menschen. Sie leben bescheidenen. Sind freundlich, neugierig, offen, mit einer zufriedenen Ausstrahlung. Sie sind hilfsbereit und dankbar, wenn du ihnen etwas Gutes tust. Vielen, ist der Glaube in die eigene Regierung schon lange abhandengekommen, aber nicht in das Land, welches sie lieben. Sie sprechen darüber ganz offen … und sagen in einem Atemzug: «Das ist Argentinien, Lateinamerika und es wird wohl immer so bleiben!» Die Hoffnung geben sie aber nicht auf, dass es irgendwann doch noch besser wird.
So begegnet uns Argentinien. Ein wunderbares Land. So wie wir dieses Land wahrnehmen, hat es Eladia Blazquez erlebt und wunderbar auf den Punkt gebracht.
Seit San Carlos de Bariloche fuhren wir wann immer möglich auf Nebenstrassen den Anden entlang Richtung Süden. Mittlerweilen in der Region von Puerto Natales in Chile angekommen, stehen wir in Südamerika das erste Mal am Wasser, welches mit dem Pazifik verbunden ist. Eine faszinierende Welt mit 1000enden von Inseln, Wäldern, und Gletschern. Ein einmalig zusammenhängendes unter Schutz stehendes Ökosystem: Mit einer Nord-Südausdehnung von rund 2'000 km!
In San Sebastian stehen wir wieder am Atlantik … in der Provinz Tierra del Fuego. Laubwälder - fast ausschliesslich immergrüne Südbuchen - Steppen und Moorgebiete prägen diese faszinierende, herbe, vom Wind geformte Gegend.
Woher kommt der Name Tierra del Fuego? Im 19ten Jahrhundert bedeutete die Umrundung des Cap Hoorn für jeden Seemann einen ungleichen Kampf mit tosenden Stürmen. Prominente Reisende wie Charles Darwin und Richard Henry Dana berichteten bereits von der Grossartigkeit, aber auch von den Gefahren dieser Weltgegend. An der damals entdeckten einzigen Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik lebten wenig Eingeborene. Jäger und Sammler: Die «Kanu-Indianer». Sie lebten von Muscheln und Fischen und wärmte sich an ihren Feuern, welche weitum sichtbar waren. Selbst auf ihren Kanus hatten sie diese dabei. Das gab der Landschaft den Namen Tierra del Fuego, Feuerland. Und hier beginnt der traurige Abschnitt der Geschichte. Solche Indios wurden durch den Missionseifer nach England entführt. Ziel war es sie zum Christentum zu bekehren. Um später mit ihrer Hilfe die restlichen in Feuerland zu bekehren. 1832/33 wurde Charles Darwin Zeitzeuge der Rückführung und dem kläglichen Scheitern dieses Projekts. Sowohl auf dem chilenischen wie argentinischen Teil hier im Süden überlebten keine Ureinwohner. Warum?
Ende des 19. Jhs hatten Erschliessungsgesellschaften die Eignung des Bodens für die Schafszucht in der Region Punta Arenas entdeckt. Der Staat war froh, dass dieses schwer kontrollierbare, isolierte und unwirtliche Gebiet nun kolonisiert werden konnte. Es zog Entrepreneure aus Europa an. Ihnen wurde das Land überlassen und sie liessen die nomadisierenden Verbände verfolgen und töten. Es entstanden Schafsfarmen von 300'000 ha !?!
Die grössten Besitzer waren die Schafsbarone-Familien Braun, Menéndez und Nogueira. Sie bauten systematisch, in bester Monarchie-Manier ihre Vormachtstellungen in der Oberschicht durch Eheschliessungen aus. Sie holten sich aus Paris einen Architekten, für die Planung ihrer Paläste. Diese Prunkbauten stehen heute in Punta Arenas am zentralen Platz, um die Kirche herum aufgereiht.
Bis noch vor etwas mehr als 100 Jahren wurde zu Gunsten der Schafzucht systematisch Genozid an der Urbevölkerung in Südpatagonien und Feuerland betrieben. Die Welt nahm davon kaum Kenntnis und wenn, unternahm niemand etwas. Einzig in wenigen Missionen überlebte anfänglich eine kleine Anzahl dieser Menschen. Schlussendlich wurde die Urbevölkerung vollständig ausradiert. Das Erbe der Täter in Form von Prunkbauten, wird von Touristen aus allen Ländern heute bewundert.
Unsere nächsten Etappen, werden auf der MS Ushuaia während drei Wochen die Malvinas, Südgeorgien und dann die Antarktis sein.
Morgen verlassen wir Ushuaia - die südlichste Stadt der Welt - in Richtung Kap Hoorn.
Übrigens: Hier ist Hochsommer .... und es schneit!!