Nach dem Abschied von Top-Crew der Grande Francia, kam am Leuchturm von Montevideo bald der Abschied von den 10 anderen Mitreisenden. Damit die Reise für alle 5 Teams individuell losgehen konnte, bot sich der Leuchtturm als «Base Camp» für 3 Tage an. Die einen suchten Gas, welches eigentlich auf der Grande Francia nicht mitgeführt werden durfte, die anderen füllten Kühlschrank und anderes, oder richteten noch kleine Sachen am Fahrzeug. Und dann eben kam die unausweichliche Trennung. Schon bald vermissten wir alle. Zurück bleiben schöne Erinnerungen … und unsere WhatsApp Gruppe.
Wir beide verliessen Montevideo nach Norden: Ziel die Grenze von Brasilien. Fuhren vorwiegend entlang der Küste. Deren Bild wurde von wunderbaren Sandstränden, mit überall freiem Zugang geprägt. Sie sind unvergleichlich lang und breit, feinkörnig, weiss, sauber, und meist menschenleer. Dazwischen sorgen dunkle, grosse, rundgewaschene Felsen für Abwechslung. Die höchsten Wanderdünen Südamerikas - bis zu 70m hoch - laden zum Sand-Boarden, die konstanten Wellen an vielen Abschnitten zum Surfen ein. Im Süden findet sich Punta del Este, das Monte Carlo Südamerikas. Weiter Richtung Norden einige ruhigere Destinationen. Aguas Dulces und Punte del Diablo. Letzteres für uns ein Juwel und die Alternative zu «Monte Carlo». Das Fischerdorf wurde in den 68ern von Hippies und Surfern «beschlagnahmt». Sieht noch heute zum Teil so aus und wie uns scheint, ticken die Uhren auch noch so. Wir nutzten die Chance der Nebensaison und hausten mitten im Dorf, direkt am Strand und die Einwohner freuten sich mit uns.
Kurz vor der brasilianischen Grenze querten wir das Land von Nordost nach Südwest nach Fray Bentos am Rio Uruguay. Die Grenz-Stadt bleibt in nachhaltig positiver Erinnerung.
Warum? Zuerst suchten wir den Stadt-Camping-Platz. Bei der Ankunft sahen wir eine heruntergekommene Spielwiese am Rand eines sehr ärmlichen Viertels. Strahlende Kinder und Jugendliche beobachteten uns. Also, es geht weiter. Möglicherweise bietet sich die Strandpromenade im Zentrum an. Kurz darauf kam uns - im immer noch ärmlichen Aussenquartier - ein Wahlveranstaltungs-Umzug entgegen. Kurze Analyse: Viele Fahnen, schrill und laut und friedlich. Die neue Regierung will bald gewählt werden. Wir stimmten uns mit unserer Fanfare in deren Hupkonzert ein. Sehr zur Freude aller Kundgebenden … und zu unser eigenen: Wir bekamen Raum langsam gegen den Strom Richtung Zentrum weiter zu fahren.
Kurze Zeit später fanden wir uns wieder in einem Umzug. Einer der das ganze Jahr scheinbar jedes Wochenende stattfindet. Stell dir vor: Du fährst an einer wunderbaren kilometerlangen Strandpromenade am Rio Uruguay entlang. Im Schritttempo. Links und rechts Menschen die auf Promenaden - Bänken sitzen, oder auf mitgebrachten Camping-Stühlen, was ganz normal ist. Oder sie sitzen ganz einfach am Boden. Keiner interessiert sich für den prächtigen Sonnenuntergang im Rücken. Alle, auch die von der Stadt aufgestellten Steinbänke sind vom Wasser weg Richtung Strasse gerichtet. So können die Vorbeifahrenden betrachten werden. Alle sind am Quatschen. Sind fröhlich und … alle trinken zu Hauf. Was trinken Sie?, Mate! Sie trinken ihn im Auto auf dem Fahrer-, Beifahrer- und auf den Hintersitzen. Auf den Bänken, im Gras auf dem Gehsteig einfach überall! Wie ist es mit Bier oder so was. Keine Chance gegen Mate dem allgegenwärtigen Nationalgetränk. Kein Fussballspiel, Gang zur Behörde oder zum Arzt, Spaziergang an der frischen Luft, Shoppen, Arbeiten, Bussfahren, etc., etc., ohne dass Mann, Frau und Kind Mate trinken. Die Thermoskanne unter dem Ellbogen eingeklemmt, oder in einem kunstvollen Halfter deponiert wird aus der ebenfalls zur Mate-Ausrüstung gehörende Calabasa (Tasse) via der Bomilla - einem Röhrchen - Schluck um Schluck alle paar Minuten Mate einverleibt. Mate?, ein stark bitter würziger Tee, dessen Kraut mit dem heissen Wasser aus der Thermoskanne in der Calabasa immer wieder neu aufgegossen wird. Die Gewohnheit haben die Städter von den Gauchos, und die wiederum von den Guaranis, der Urbevölkerung Uruguays, übernommen. Die Uruquayos scherzen über sich selber, dass die Mate-Sucht einen speziellen Muskel entwickelt hätte. Dadurch könne die Thermoskanne ohne Probleme unter dem Ellbogen eingeklemmt werden.
Noch etwas zur Stadt. Fray Bentos, es war die erste Stadt in Uruguay mit Elektrizität. Und lange der Ort mit der grössten Fleischfabrik. Die Stadt des Brühwürfels. Täglich schlachteten 4000 Mitarbeitende 2000 Rinder. Aus 30 kg Fleisch wurde 1 Kilogramm Fleischextrakt produziert. Das seit einiger Zeit ausser Betrieb genommene Werk ist heut UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Fabrik war über Generationen hinweg wirtschaftliche Stütze der Region. Heute ist die Stütze eine grosse Zellulosefabrik.
Die Fahrt von Ost nach West führte zuerst durch Feuchtgebiete mit enormen Vogelbeständen. Teilweise überflutet, so dass wir uns wie in einem Boot vorkamen. Wir kamen vor allem in diesem Zipfel des Landes nur ganz gemächlich vorwärts. Denn die von uns bewusst gewählten Streckenabschnitte, mit unbefestigten Nebenstrassen, hatten Löcher, Löcher und nochmals Löcher. Es folgte, abwechslungsreiches Gaucho-Grasland mit sehr grossen Rinderherden. Das Leben der Bevölkerung hier im Hinterland, ist hart, einsam und einfach. Die Einwohner, die wir trafen, strahlten trotzdem - oder gerade deswegen Zufriedenheit aus. Je weiter im Westen, mehr und mehr «kleiner» parzellierte Grundstücke. Oft unterbrochen durch Waldflächen industrieller Eukalyptus-Holz-Produktion. Die Rinderproduktion hier ändert sich auch drastisch. Wir sahen 100erte Kälber im Freien, in Reih und Glied an Pfählen angebunden. Ein Kessel mit Wasser, ein zweiter mit Kraftfutter «vor der Nase». Der freiheitsliebende Gaucho hat hier seinen Platz schon lange räumen müssen.
Immer präsent waren unzählige, sehr grosse Vogelschwärme, die aus dem Norden eintrafen. Interessant, dass wir die gleichen Vogelarten vor einem Jahr in Canada sahen. Damals von Süden herkommend. Wir berichteten 2018 im BLOG CANADA.
Während der Fahrt begegneten wir vorwiegend Jung und Alt mit fröhlicher Ausstrahlung. Menschen die spontan auf uns zukamen. Die kurzen Unterhaltungen basierten auf experimentellem Spanischfrancoenglisch, gewürzt durch wenige italienische Worte und unterstützt durch die Zeichensprache. All dies machte die Begegnungen für beide Seiten interessant.
Das Einkaufen in ländlich kleinen Geschäften, in alten Liegenschaften aus der Zeit der Besiedlung Uruguays, mit jeweils sehr kleinem Angebot, machte echt Spass. In einem kaufen wir die Salami und das Frischfleisch mit Eiern, beim nächsten den Saft und einige Früchte, so gings weiter bis wir alles hatten was wir wollten. Jedes Geschäft war ein kleines Erlebnis für sich.
Alte Fahrzeuge vom kleinen Pickup bis zum in unseren Augen schrottreifen Laster, waren allgegenwärtig. Eine wiederkehrende Motorfahrzeugkontrolle?, gibt es wohl nicht. Beim Fotografieren ergaben sich auch nette Kontakte. So gab Pedro echt Gas, obwohl ich ihm mehrmals versuchte klar zu machen, dass ich ihn nicht verstehe und schon gar nichts kaufen will. Er wollte seinen frisch renovierten, goldenen Chrysler bei mir unter die Haube bringen. So deckte er mich mit einem Redeschwall zu, dabei Türen auf und zu, Motorhaube auf und alle Details zur Renovation des Motors, bis zum Geht nicht Mehr.
In Uruguay fühlten wir uns immer sehr sicher. Dadurch hatten wir auch keinerlei Bedenken, wenn wir uns irgendwo über Nacht hinstellten, um uns zu bekochen und dann in Ruhe schlafen wollten.
Wir wären gerne viel länger in Uruguay geblieben. Doch wir haben zwei Zeitfenster im Sommer von Patagonien: Spanisch Unterricht in Bariloche. Und ganz im Süden Feuerland. Eines ist sicher, wir kommen wieder.